Archäologie ist immer faszinierend. Nicht nur, dass wir ohne diese Wissenschaft vieles über unsere Vorfahren und die Entwicklung der Menschheit nicht wissen würden. Sie bezeugt auch durch zahlreiche Funde die Besitztümer und Riten längst vergangener Zeiten. Doppelt faszinierend, wenn dieses Wissen in ein Buch über Untote gepackt wird. Realisiert haben das zwei Autoren in ihrem Werk „Geköpft und gepfählt – Archäologen auf der Jagd nach den Untoten“. Welche Arten von Untoten wurden in vergangenen Zeiten identifiziert und weshalb sind die Funde von Toten in ihren Gräbern so spannend? Sie begeben sich auf Spurensuche und zeigen uns, wie tief die Angst vor den Untoten in uns steckte und noch steckt, wie sich diese äußert und welche Maßnahmen gegen Untote getroffen wurden. Ein Mix aus Grusel, Volkskunde und archäologischen Funden.
Die Autoren sind auch beruflich der Archäologie verschrieben. Angelika Franz ist promovierte Archäologin und Wissenschaftsjournalistin für namhafte Verlage wie Die Zeit, Spiegel Online und Geo. Daniel Nösler ist Kreisarchäologe in Stade.
Der Hintergrund zu „Geköpft und gepfählt“
Als aufgeklärte Menschen in der heutigen Zeit, glauben wir nicht mehr (oder nicht wirklich) an Untote. Ist man erst einmal gestorben, kehren wir (rational gesprochen) nicht mehr zurück, weder als Geist noch als Untote. In vergangenen Zeiten lag die Sache da schon anders: Der Tod, die Untoten und der Glaube daran waren allgegenwärtig.
Das Buch leitet im ersten Kapitel mit einen Einblick in verschiedene Ansichten und Bedeutungen zum Tod im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ein sowie der noch andauernden Funktionen der Toten nach ihrem Ableben. Das zweite Kapitel behandelt die Arten von Untoten, die grundlegend für die ab Seite 78 betrachteten Funde der Archäologen und deren Analyse sind. Die Recherchen zu den Arten der Untoten finden beispielsweise in Überlieferungen wie in Volkskundebüchern und Sagen statt. Die Darstellung der Untoten variiert zwar von Region zu Region etwas, aber 5 Arten werden zusammengefasst vorgestellt, der Wiedergänger, der Aufhocker, der Nachzehrer, der Vampir und der Untote mit Pferden.
Kleiner Trailer zum Buch
Der Wiedergänger und der Aufhocker
Eigentlich möchte ich nicht zu viel vorweg nehmen, aber die Arten der Untoten sind einfach zu interessant. Ein Wiedergänger ist wohl die älteste Form der Untoten und bezeichnet einen Toten, der sein Grab verlässt, um zu den Lebenden zurückzukehren. Klassische Zeichen eines Wiedergängers: Partielle Auflösung des Körpers, ein Stein, der als Bannritus dient und die christliche Immunität, das heißt ein Priester kann den Wiedergänger nicht zähmen. Beim Aufhocker ist der Name ebenfalls Programm: Der Aufhocker ist ein Untoter, der seinem Opfer auf den Rücken springt. Die Last wird immer größer – bis der Betroffene unter der schweren Last zusammenbricht und selbst stirbt. Der Aufhocker „belästigt“ aber nicht (nur) seine Hinterbliebenen, sondern eher Fremde, Reisende oder sogar Diebe, mit deren Aufhockung sie sogar noch etwas vermeindlich Gutes tun. Lustigerweise werden sie auch Huckup (niederländisch) genannt.
Nachzehrer,Vampire & der Untote mit den Pferden
Der Nachzehrer und der Vampir sind quasi Verwandte mit einem Unterschied: der Nachzehrer muss das Grab nicht verlassen, um den Hinterbliebenen das Leben auszusaugen. Er macht dies von seiner Grabstätte aus, indem er an seinem Leichentuch, -hemd oder am eigenen Fleisch saugt. Durch das Saugen sorgt er für das verfrühte Ableben seines Bekanntenkreises, seiner Verwandten und Freunde. Der Vampir hingegen – hässlich und brutal – dürstet nach Blut. Der Untote mit den Pferden reitet kopflos durch sein Revier, sein Pferd mit einer Peitsche antreibend, die aus seinem Rückgrat wächst.
Und nun – Spannung pur!
Nachdem die Untoten ausreichend erklärt sind, gehen die Autoren auf Aspekte ein, die ein Lebender zu einem vermeintlich Untoten werden lassen. Das kann ein Kind, dass bei der Geburt bereits Zähne besitzt oder auch die Sache mit den unerledigten Dingen sein. Die Gefahr lauerte überall. Kapitel 4 hingegen betrachtet die Darstellung des Grauens in Schrift- und Bildquellen des Mittelalters.
Das Herzstück des Buches ist die Beleuchtung der archäolgische Funde. Die Artefakte zeugen von Ängsten über Untote und Bannriten, die verhindern sollten, dass Untote ihrem Treiben freien Lauf lassen konnten. Somit nimmt die Interpretation der Ausgrabungen einen wichtigen Teil des Buches ein. Beachtet werden auch Unwelteinflüsse oder Missgeschicke beim Bestatten der Leichen. Ohne zu viel zu verraten: Wer kann aufstehen, wenn schwere Steine das Gesicht und viele Teile des Körpers bedecken? Wer kann an seinem Leichtuch saugen, wenn ein Stein zwischen den Zähnen klemmt? Warum sollte ein Untoter zurückkehren, wenn ihn genügend Gold auf seiner letzten Reise begleitet? Geköpft und gepfählt ist auch kein zufällig gewählter Titel. Auch eine gute Frage: Wie viele Untote leben unter uns?
Fazit: Mehr davon
Spannendes Buch über die abweschslungsreiche Arbeit der Archäologen: wissenschaftlich fundiert, gut recherchiert und mit einem Hang zum Humor. Das Werk ist nicht nur für Leser, die sich grundsätzlich für das Themengebiet interessieren, sondern auch für Horror- und Vampirfans. Wer noch mehr über die Untoten und die archäologischen Funde und Deutungen wissen möchte, der ist mit diesem Buch gut bedient:
Buchtipp: Franz, Angelika, Nösler, Daniel: Geköpft und gepfählt – Archäologen auf der Jagd nach den Untoten, Theiss Verlag, Darmstadt 2016, 208 Seiten, 19,95 €